Was ist Awareness und warum brauchen wir Awareness?
Awareness kommt von dem englischen Begriff to be aware und kann mit „Bewusstsein“ oder „Achtsamkeit“ übersetzt werden. Es geht darum, sich bewusst zu sein, dass Machtdynamiken und Unterdrückungsstrukturen überall präsent sind und dass wir alle in einem System aufgewachsen sind, das diese reproduziert. Das bedeutet zwangsläufig, dass keine Person frei von verinnerlichten Diskriminierungsstrukturen ist.
Daraus ergibt sich eine kollektive Verantwortung und eine politische Haltung. Zwischenmenschliche Gewalt geschieht nie außerhalb eines gesellschaftlichen Kontextes, und auch ein Awareness-Konzept oder ein Awareness-Team allein können keinen Raum schaffen, der frei von systemischer Unterdrückung und Gewalt ist. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, Machtstrukturen sichtbar zu machen, zu reflektieren, zu durchbrechen und alternative Umgangsweisen zu erlernen.
Awareness bedeutet auch, nicht darauf zu warten, dass dich jemand auf Fehlverhalten hinweist. Mache dir deine eigene ökonomische und soziale Position bewusst, hinterfrage dein Selbstbild und deine vermeintlichen Wahrheiten. Nimm wahr, wie viel Raum du einnimmst, respektiere die Grenzen anderer und unterstütze Menschen, deren Grenzen überschritten wurden. Hilf ihnen, wieder handlungsfähig zu werden. Dabei gilt: Betroffene haben die Definitionsmacht – es ist nicht deine Rolle, zu urteilen oder Menschen zu bevormunden.
Wenn du dich grenzüberschreitend und/oder diskriminierend verhalten hast, bedeutet das, die Perspektive der betroffenen Person anzuerkennen und nach ihren Bedürfnissen zu handeln. Gewaltfreies Verhalten und Kritikfähigkeit können und müssen erlernt werden. Das bedeutet viel Arbeit, eröffnet aber auch die Hoffnung, dass wir gemeinsam Alternativen schaffen können.
Awareness geht also über die bloße Präsenz eines Awareness-Teams hinaus und sollte von Beginn an in die Veranstaltungsplanung integriert sein. Ein Awareness-Konzept und ansprechbare Menschen auf Veranstaltungen sind dennoch notwendig, um Anlaufstellen für Betroffene zu schaffen. Der Fokus liegt dabei darauf, Betroffene ernst zu nehmen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen. Awareness-Arbeit kann nicht die Rolle der Mediator*in oder Konfliktmanager*in übernehmen.
Betroffenenzentrierte Ansätze, auf denen Awareness-Arbeit beruht, existieren nicht erst seit einigen Jahren. Bereits viele Menschen vor uns haben Strukturen aufgebaut und analysiert, um Gewalt, Herrschaft und ihre vielfachen intersektionalen Verschränkungen abzubauen. Das Awareness-Konzept des Kongresses baut auf dieser Arbeit, auf bestehenden Konzepten sowie persönlichen Erfahrungen auf.
Awareness auf dem Kongress
Auf dem Kongress wird es eine Awareness-Struktur mit einem Awareness-Team geben, das in das Konzept eingewiesen wurde, ansprechbar ist und Zugang zu einem Awareness-Raum hat. Zusätzlich wird es einen reizarmen Ruheraum geben, der allen offensteht und zum Zur-Ruhe-Kommen gedacht ist. Für das Camp werden keine festen Awareness-Schichten im Voraus geplant, jedoch wird es eine rund um die Uhr erreichbare Nummer geben.
Konkret bitten wir euch:
- keine Bild- oder Tonaufnahmen zu machen,
- nicht nackt oder oberkörperfrei zu sein,
- euch mit kultureller Aneignung auseinanderzusetzen (z. B. white locks zu bedecken).
Grundsätzlich gilt: Wir sind alle gemeinsam für die Gestaltung des Raums verantwortlich. Wenn es einer Person schlecht geht und du dich in der Lage fühlst, sprich sie an, biete Unterstützung an oder hole bei Bedarf Hilfe. Wir als Orga wollen nicht die Deutungshoheit über bestehende Konflikte oder herausfordernde Situationen aus der Vergagenheit, die beim Kongress aufkommen, übernehmen. Wir bitten die jeweiligen Umfelder, dafür Lösungen zu finden.
Eine vollständige Fassung des Awareness-Konzeptes mit ausführlicheren Erläuterungen und Begriffserklärungen findet ihr auf dem Kongress.